Aus einer Ionenfalle können geladene Atome nicht entwischen: Ein elektromagnetisches Feld hält sie in ihrer Position. Ein Laser sowie Radio- oder Mikrowellen können den Zustand der geladenen Atome (Ionen) dann gezielt verändern. So werden sie zu Qubits, den Rechenbausteinen von Quantencomputern. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat jetzt Aufträge vergeben, damit die Ionenfallen-Technologie weiterentwickelt wird. Im Rahmen der DLR Quantencomputing-Initiative entstehen innerhalb von vier Jahren entsprechende prototypische Quantencomputer.
„Für die Realisierung von Qubits auf Basis von Ionenfallen vergibt das DLR Aufträge für fünf Projekte im Rahmen seiner Quantencomputing-Initiative. Dieser Technologieansatz gilt als vielversprechend und soll nun gezielt weiter vorangetrieben werden. Damit gehen wir einen weiteren Schritt in Richtung eines programmierbaren, fehlertoleranten Quantencomputers“, sagt Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Durch die enge Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft entstehen Synergien, die das Ökosystem Quantencomputing stärken und damit auch Start-ups neue Möglichkeiten eröffnen.“
Prof. Dr.-Ing. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR
Die Aufträge haben ein Gesamtvolumen von 208,5 Millionen Euro. Die sukzessive Entwicklung der Systeme läuft in mehreren Phasen. „Zum Ende der Projekte werden Quantencomputer basierend auf Ionenfallen-Technologie mit mindestens 50 Qubits bereitstehen. Gleichzeitig werden modulare Systeme aufgebaut, die erweiterbar Richtung tausender Qubits sind“, sagt Dr. Robert Axmann, Leiter der DLR Quantencomputing-Initiative. Das akademische und wirtschaftliche Umfeld in unseren Innovationszentren ist optimal zur Weiterentwicklung.“
Die Firmen und deren Mitarbeitende nutzen zukünftig Büros, Labore und einen Reinraum im DLR-Innovationszentrum in Hamburg. Hier und im DLR-Innovationszentrum in Ulm profitieren die Unternehmen auch von der unmittelbaren Nähe zu den DLR-Instituten sowie Arbeitsgruppen und der gemeinsamen Arbeit an den Herausforderungen des Quantencomputing.
Entwicklungsarbeiten im DLR-Innovationszentrum Hamburg
In einem ersten Projekt liefern NXP Semiconductors Germany (Hamburg) / eleQtron (Siegen) / Parity Quantum Computing Germany (München) als Konsortium einen Demonstrator mit zehn Qubits. Der Betriebsbeginn ist für Ende 2023 geplant. Anwender und Anwenderinnen können auf diesem Quantencomputer Erfahrungen mit Ionenfallen-Systemen sammeln und die Entwicklung voranbringen.
Zwei Projekte beinhalten den Bau von prototypischen Quantencomputern mit mindestens 50 voll funktionsfähigen Qubits auf einem Chip. Universal Quantum Deutschland (Düsseldorf) und das Konsortium QUDORA Technologies (Braunschweig) / NXP Semiconductors Germany entwickeln jeweils eigene Systeme. Der Chip ist skalierbar, die Anzahl der Qubits und die Rechenleistung lassen sich also erhöhen. Die Fehleranfälligkeit gilt als eine der größten Herausforderungen beim Quantencomputing. Daher liegt ein Fokus darauf, dass der Chip perspektivisch fehlerkorrigierbar ist.
In zwei weiteren Projekten entstehen modulare, skalierbare Quantencomputer auf Ionenfallen-Basis. Mehrere Chips werden dabei zu einer universellen Quantencomputer-Architektur vernetzt. Das Besondere: Jedes Modul ist ein eigener kleiner Quantenprozessor mit jeweils zehn Qubits. Diese Struktur soll später auf viele Chips mit tausenden von Qubits wachsen. Universal Quantum Deutschland (Düsseldorf) und das Konsortium NXP Semiconductors Germany / eleQtron / Parity Quantum Computing Germany entwickeln im Auftrag des DLR diese modularen Quantencomputer-Prototypen.
Ionenfallen-Qubits haben eine vergleichsweise lange Kohärenzzeit
„Systeme mit Ionenfallen erlauben universelle Rechenoperationen. Sie sind nicht auf die Lösung bestimmter Aufgaben festgelegt“, erklärt Dr. Karla Loida, Projektleiterin in der Quantencomputing-Initiative. „Quantencomputer auf Basis von Ionenfallen haben mehrere Vorteile: Die Qubits sind vergleichsweise stabil und die Gattergüten sind hoch – eine wichtige Voraussetzung für den Bau hochqualitativer Quantencomputer. Durch die Integration auf Mikrochips und innovative Chipdesigns wird jetzt auch die Skalierbarkeit greifbar.“
Dr. Karla Loida, Projektleiterin in der Quantencomputing-Initiative
Zudem sind die Technologien, die zum Bau erforderlich sind, schon ausgereift. Lasersysteme für die nötige Kühlung sind verfügbar. Eine gezielte Manipulation von Qubits funktioniert mithilfe von Lasern, Mikro- oder Radiowellen. Auch die Integration auf Mikrochips ist bewährt.
Die in den Projekten entwickelten prototypischen Quantencomputer werden von den DLR-Instituten für die Forschung und Entwicklung genutzt und sind über ein Netzwerk verfügbar.
eleQtron
EleQtron ist ein 2020 gegründetes Spin-off aus dem Lehrstuhl für Quantenoptik der Universität Siegen. Das Start-up entwickelt, produziert, betreibt und vermarktet Rechenzeit auf Ionenfallen-basierten Quantencomputern. Der Quantencomputer-Hersteller baut sukzessiv leistungsstärkere Quantencomputer auf und bindet diese an die Cloud an. Die Technologie arbeitet ohne Laserlicht für Quantenlogikoperationen.
NXP Semiconductors Germany
NXP gehört zu den führenden Halbleiterunternehmen weltweit und kann auf Erfahrung und Expertise von mehr als 60 Jahren bauen. Am Standort Hamburg sind mit rund 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor allem Forschung, Entwicklung, Test und Marketing für mehrere Geschäftsbereiche ansässig. Die wichtigsten NXP Kompetenzzentren in Hamburg sind Sichere Vernetzte Mobilität, Cybersecurity, Industrie 4.0 und – neu – Quantencomputing.
Parity Quantum Computing Germany
Der Fokus von ParityQC liegt auf der Entwicklung von Bauplänen und Betriebssystemen für Quantencomputer. ParityQC arbeitet mit Hardwarepartnern weltweit zusammen, um gemeinsam Quantencomputer für Anwendungen zu bauen, die vom universellen, fehlerkorrigierten Quantencomputing bis hin zur Lösung von Optimierungsproblemen auf NISQ Geräten reichen. Für das DLR entwickelt ParityQC Architektur, Algorithmen und Betriebssystem.
QUDORA Technologies
QUDORA Technologies ist ein Deep-Tech-Spin-off der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), Technischen Universität Braunschweig sowie der Leibniz Universität Hannover und Teil des Quantum Valley Lower Saxony (QVLS) Ökosystems. Das Start-up entwickelt Quantencomputer auf Basis der Ionenfallen-Technologie, bei denen Rechenoperationen mittels in den Quantenprozessor integrierter Mikrowellenbauelemente ausgeführt werden.
Universal Quantum Deutschland
Universal Quantum hat eine modulare Architektur für Quantencomputer entwickelt. Die auf Ionenfallen basierenden elektronischen Quantencomputermodule werden mit der verfügbaren Siliziumtechnologie hergestellt. Die einzelnen Module werden dann mit einer von Universal Quantum entwickelten Technologie zu einer Architektur verbunden, die skaliert werden kann. Universal Quantum wurde im Jahr 2018 gegründet.